Sonne, Mond und Pioniere – Frauen in der Wissenschaft Teil 2
Im zweiten Teil unserer Blogreihe widmen wir uns erneut den Frauen der Wissenschaft. Nachdem in der letzten Ausgabe ein Blick auf die Entdeckungen großer Forscherinnen geworfen wurde, die uns unsere eigene Welt erklären, wagen wir diesmal einen Blick über den Horizont. Und zwar wortwörtlich.
Der Griff nach den Sternen
Henrietta Swan Leavitt: Cepheiden sind pulsationsveränderliche Sterne. Sie haben eine ganz besondere Bedeutung in der Astrophysik, da ihre Helligkeit nicht nur unterschiedliche Stärken annimmt, sondern diese Schwankungen streng periodisch auftreten.
Hier kommt Henrietta Swan Leavitt ins Spiel. Trotz immer wiederkehrender Krankheiten und eines fast vollständigen Verlustes ihres Gehörs begann sie im Jahr 1895 ihre Karriere als Volontärin im Observatorium des Harvard College. Dort erkannte sie 17 Jahre später den Zusammenhang zwischen der absoluten Leuchtkraft und der Zeitperiode, mit der sich die Helligkeit aller Cepheiden verlässlich voraussehbar ändert – und legte damit nicht nur den Grundstein für die Entfernungsmessung zwischen einzelnen Cepheiden, sondern auch zwischen nahe gelegenen Galaxien.
Damit erschuf sie nicht weniger als die moderne, astronomische Vorstellung des Universums, wie wir es heute kennen. Durch ihre Entdeckung erkannte man die nicht-zentrale Position unserer Sonne und unserer Galaxis, genau wie das Konzept des expandierenden Universums. Einen Nobelpreis sollte sie dennoch nie erhalten – Swan Leavitt starb im frühen Alter von 53 Jahren an Krebs. Sie hatte von ihren weitreichenden Auswirkungen auf die Welt der Astronomie nie erfahren. Der Mondkrater „Leavitt“ wird dennoch immer an sie erinnern.
Dame Jocelyn Bell Burnell: Bei einer Datenauswertung des 1967 fertiggestellten Radioteleskoparrays in Cambridge fielen Jocelyn Bell Burnell, einer britischen Radioastronomin, merkwürdige Signale auf. Ihre Entdeckung sollte sich als die erste Beobachtung eines Pulsars herausstellen – eines Neutronensterns oder Weißem Zwerg, der einen Strahl elektromagnetischer Strahlung entsendet. Diese Entdeckung wurde als „eine der signifikantesten wissenschaftlichen Errungenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts benannt, und wurde auch im Jahre 1974 mit einem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet – doch nicht für Bell Burnell.
Trotz der Tatsache, dass sie die erste war, die den Pulsar beobachtet hat, wurde sie als Empfängerin des Preises nicht berücksichtigt. Sie selbst hat diese in Wissenschaftlerkreisen sehr kontroverse Entscheidung bescheiden aufgenommen. „Ich glaube, es würde den Nobelpreis herabwürdigen, wenn er an Forschungsstudenten verliehen würde, außer in sehr außergewöhnlichen Fällen, und ich glaube nicht, dass dies einer war“. Bell Burnell diente später als Präsidentin der Royal Astronomical Society, sie wurde in den Adelsstand der „Dame“ erhoben und 2018 wurde ihr der „Special Breakthrough Prize in Fundamental Physics“ verliehen. Sie gab das gesamte Preisgeld von 2,3 Millionen Pfund als Hilfe ab, um Frauen, ethnischen Minderheiten und Flüchtlingen dabei zu helfen, ebenfalls in die Physikforschung zu gelangen.
Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson:“Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen” ist der Name einer Filmbiografie, basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Margot Lee Shetterly. Er berichtet von der Geschichte dreier afro-amerikanischen Mathematikerinnen, die innerhalb NASA am Mercury- und Apollo-Programm beteiligt waren, aber keinerlei Anerkennung dafür erhielten.
Im Jahr 1958, dem Gründungsjahr der NASA aus der vorhergehenden NACA, herrschte in den USA Rassentrennung. In einer Männerdomäne, die von Weißen geprägt war hatten es sowohl Afro-Amerikaner als auch Frauen schwer. Wenn man gar beides war, war ein Vorankommen fast unmöglich. Schwarze Mathematikerinnen wie Jackson, Johnson und Vaughan hatten ein gesondertes Büro und konnten als „farbige Rechner mit Röcken“ von anderen Abteilungen „ausgeliehen“ werden.
Trotz aller Hindernisse in ihrem Weg und allein getrieben von Mut, dem Glauben an ihre Arbeit und die Neugier der Wissenschaft halfen diese drei Frauen, der NASA ihren ersten Flug zum Mond zu ermöglichen und öffneten gleichzeitig eine Tür für unzählige folgende, afroamerikanische Frauen in der Geschichte der Weltraumforschung. Die Verfilmung ihrer Mühen erhielt drei Oscar-Nominierungen und ist ganz klar eine Anschauempfehlung.
Kathleen „Kay“ McNulty, Jean Bartik, Betty Snyder, Marlyn Wescoff, Frances Bilas, Ruth Lichterman: Kommen wir zum Abschluss noch einmal auf die Erde zurück. Die „Refridgerator Ladies“ haben ihren Spitznamen nicht freiwillig bekommen: Auf bekannten Bildern des ersten komplett elektronischen Computers ENIAC fallen einige Damen auf, die (im Gegensatz zu den anwesenden Herren) in der Beschreibung des Fotos nicht weiter betitelt sind. Auf Nachfrage antwortete ein Universitätsprofessor, sie seien lediglich beauftragt worden, in der Fotografie vor der kühlschrankähnlichen Maschine zu posieren – die Kühlschrank-Ladies.
Dies stellte sich aber als Fehleinschätzung heraus: Nachdem die Computerhardware für den Militärbereich, ein Werk aus Vakuum-Tuben, Kabeln und Lochkarten, fertiggestellt wurde, fehlte es an fähigen Programmierern, um sie auch tatsächlich nutzen zu können. Nach einer anspruchsvollen Bewerbungsphase wurden sechs Frauen angenommen, die laut Projektteilnehmerin Jean Bartik die perfekten Voraussetzungen mitbrachten: Snyder war seit langem Rechnerin, die während des Krieges viele Spezialaufträge meisterte. Wescoff zeichnete sich durch extrem akkurate Rechenvorgänge aus, McNulty hatte handfeste Erfahrungen im Umgang mit Differentialanalysatoren, die für das ENIAC-Projekt unentbehrlich waren, Lichterman, das Küken der Gruppe, glänzte durch Enthusiasmus und Hartnäckigkeit.
Es gab keinen echten Plan. Die Frauen mussten, trotz Anleitungen zur Technik, weitestgehend ein eigenes Verstehen der komplexen und neuartigen Berechnung zur Programmierung des ENIAC entwickeln. Und das taten sie. Durch die Kreativität, Beständigkeit, Ausdauer und Intelligenz waren die sechs Frauen letztendlich die ersten, echten Programmierer der Welt. Sie haben etwas gemeistert, was nie zuvor auch nur angegangen wurde, und den Weg zur heutigen Computertechnologie geebnet.
Jean Bartik und Frances Bilas arbeiten am ENIAC (Bildquelle: Wikipedia)
Wie schon in der Vergangenheit werden wir auch in der Zukunft Wissenschaftlerinnen als Vorbilder brauchen, sowohl um mit traditionellen Rollenbildern aufzubrechen, als auch um Schülerinnen und Studentinnen selbst zu beweisen, dass die Wissenschaft keine männerexklusive Domäne sein muss. Und auch, wenn jeden Tag mehr junge Frauen diesen Weg wagen, und weibliche Technikerinnen, Programmiererinnen und Astronominnen nicht länger unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt werden, gibt es nach wie vor viel aufzuholen.
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